- Geschrieben von Frank Geffke
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Einführung und kurzer Überblick über die Werkstoffe der Keramik
In der Lehrveranstaltung werden immer wieder Begriffe aus dem Bereich der Keramik verwendet. Weil mir als Keramiker präzises sachgerechtes Sprechen über diese Werkstoffgruppe am Herzen liegt möchte ich eine kurze Begriffsdefinition Keramik beitragen. Ich hoffe sie weckt das Interesse an den besonderen Eigenschaften keramischer Werkstoffe.
© Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 5. Aufl. Mannheim 2003:
Ke|ra|mik, die; -, -en [frz. céramique < griech. keramike (téchne)= Töpfer(kunst), zu: kéramos= Töpferton, -ware]:
1. a) <o.Pl.> Erzeugnisse aus gebranntem Ton od. (seltener) aus Porzellan: die Ausstellung zeigt Keramik (künstlerische Keramik) des Barocks;
b) künstlerisch, kunsthandwerklich gestalteter Gegenstand aus Keramik (2): eine wertvolle chinesische Keramik
2. gebrannter Ton, aus dem Keramik (1 a) hergestellt ist: die Vase ist aus Keramik; ist das Keramik?
3. <o.Pl.> Technik der Herstellung von Keramik (1) u. das entsprechende [Kunst]handwerk, die entsprechende Industrie: die minoische Keramik
Keramik ist eine, in vielen Kulturen seit vorgeschichtlicher Zeit bekannte Werkstofftechnologie die als eine der Leittechnologien menschlicher Kulturentwicklung anzusehen ist. Viele bedeutende Werke der Kunst, Architektur, Technik und Alltagskultur wurden mit keramischen Technologien und Werkstoffen realisiert. Die Keramik ist dem Feld der Silikattechnik zuzuordnen. Die Keramischen Werkstoffe wie wir sie aus dem Alltagsgebrauch kennen und die "alte Keramik" ist der Gruppe der Silikatkeramik zuzuordnen.
Was ist Keramik?
Keramik, was ist das? - Na ja, gebrannter Ton.
Und Ton? - das ist Erde, Lehm.
Und was ist Erde?
Für die meisten Anwendungen der technischen Praxis ist es ausreichend, Materie sich modellhaft aus Atomen und Molekülen aufgebaut zu denken. Materie und ihr Verhalten mit Atommodellen zu erklären geht auf Demokrit 400 v.Chr. zurück.
1896 ordnet Dmitri Mendelejew (1834–1907) die bekannten Elemente nach ihrer Kernladungszahl im Periodensystem der Elemente.
Die Stoffe, die für keramische Massen verwendet werden sind Bestandteile der Lithosphäre (Steinkugel). Die Lithosphäre betrachten wir wenn wir vom Planeten Erde die Atmosphäre, die Meere und alles Lebendige einschließlich der Böden (Biosphäre) abziehen und die obere feste Schicht bis ca 16 km Dicke (7-50 km) analysieren.
Masseanteile der Elemente an der Lithosphäre und an einem Mauerziegel
Element | Element Zeichen | Litho sphäre1 | Litho sphäre2 | Ziegel |
Anteil | [Gew. %] | [Gew. %] | [Gew. %] | |
Sauerstoff | O | 46,0 | 46,6 | 48,8 |
Silicium | Si | 28,0 | 27,7 | 30,3 |
Aluminium | Al | 8,0 | 8,1 | 11,3 |
Eisen | Fe | 6,0 | 5,0 | 2,1 |
Magnesium | Mg | 4,0 | 2,1 | 1,1 |
Calcium | Ca | 2,4 | 3,6 | 3,3 |
Natrium | Na | 2,8 | 0,5 | |
Kalium | K | 2,6 | 2,0 | |
Titan | Ti | 0,5 | 0,6 | |
Wasserstoff | H | 0,5 | ||
alle anderen | 5,6 | 0,5 | ||
Summe | 100,0 | 100,0 | 100,0 |
Die Tabelle zeigt , dass die Zusammensetzung der Erdrinde und eines typischen Keramikerzeugnisses, einem typischen Mauerziegel, recht ähnlich ist und dass jeweils nur wenige Elemente einen Großteil der Masse ausmachen.
Sauerstoff ist nach Masseanteil das häufigste Element der Lithosphäre, gefolgt von Silizium und Aluminium. Wenn wir die häufigsten mineralbildenden Oxidverbindungen betrachten werden diese Verhältnisse begreiflich.
Verbindungen aus häufigen Elementen gebildet
Verbindung | Chemische Verbindung | Mineralname |
SiO2 | Siliziumdioxid |
Quarz |
Al2O3 |
Aluminium-III-oxid | Korund |
Fe2O3 | Eisen-III-oxid | Hämatit |
Aus diesen Oxiden setzen sich die meisten Mineralien zusammen die für keramische Massen besondere Bedeutung haben:
Strukturmodell eines TO-Zweischicht Tonminerals z.B. Kaolinit
In der Silikattechnik denkt man sich die Verbindungen oft aus Oxiden zusammengesetzt. Dadurch kann die Kristallstruktur der Stoffe veranschaulicht werden.
Mineralien aus Oxiden gebildet
Silikattechnische Oxidformel | Chemische Formel | Mineralname |
SiO2 | SiO2 | Quarz |
Al2O3 * 2SiO2 * 2H2O | Al2Si2O5(OH)4 | Tonmineral, Kaolinit |
K2O * Al2O3 * 6SiO2 | K2Al2Si6O16 | Kalifeldspat, Othoklas |
Na2O * Al2O3 * 6SiO2 | Na2Al2Si6O16 | Natronfeldspat, Albit |
K2O * 3Al2O3 * 6SiO2 * 2H2O |
K Al2 [AlSi3O10(OH)2] | Glimmer, Muskovit |
Ton
Tone sind Verwitterungsprodukte feldspathaltiger Gesteine, z.B. Granit. Sie enthalten einen gewissen Anteil eines Tonminerals, z.B. Kaolinit. Der Tonmineralanteil mach die "Gesteine" je nach physikalischem Wassergehalt plastisch, bildsam.
Bleiben die Tone an der ursprünglichen Lagerstätte des Ausgangsgesteins liegen so spricht man von primären Tonen. Diese sind meist rein und weiss und enthalten nur die Elemente der Ausgangsgesteine. Sie enthalten gelegentlich hohe Anteile von "unverwittertem" Feldspat und Quarz. Typische primäre Tone sind Kaoline und Ball Cays.
Strukturmodell eines TOT-Zweischicht Tonminerals z.B. Montmorillonit (Elementarzelle)
Ist Keramik "öko"?
Dass Tone aus der Natur entnommen werden wird gelegentlich angeführt, um der Keramik ein natürliches, oder gar ökologisches Image zu assoziieren. Tatsächlich ist die Keramik eine energieintensive Hochtemperaturtechnologie. Mit den entsprechenden ökologischen Konsequenzen werden Ihre Rohstoffe durch intensivsten, globalisierten Bergbau aus der Natur entnommen. Der Brennprozess verschlingt erhebliche Energie und setzt problematische Stoffe in die Atmosphäre frei. So rechtfertigen heute nur "Artefakte" von Relevanz, mit hoher technischer, sozialer und gestalterischer Nachhaltigkeit, den Einsatz keramischer Werkstoffe.
Keramische Massen
Selten eignet sich ein einzlner natürlicher Grubenton als Masse für den keramischen Prozess. Daher werden zur Entwicklung der physikalischen und chemischen Eigenschaften eines keramischen Werkstoffs meist mehrere Tone und andere Rohstoffe zu einer keramischen Masse gemischt.
Keramische Massen setzen sich aus plastischen und aus unplastischen Stoffen zusammen. Pastische Komponenten sind: Tone und Kaoline, Glimmer, organische Plastifizierer ( z.B. Humussäuren). Unplastische Bestandteile sind: Quarz, Feldspat, Kreide, Metalloxide, Schamotte, Scherbenmehle, Sande usw.
Keramischer Prozess
Durch das Brennen, dem eigentlichen Keramischen Prozess, werden aus den geformten, getrockneten Grünkörpern Werkstücke mir spezifischen Eigenschaften. Masse und Prozess werden aufeinader abgestimmt und zielen auf vorher definierte Werkstoffeigenschaften.
Formen
(kommt ...)
Trocknen
Nach der Formung der Werkstücke wird das physikalisch gebundene Wasser aus der Masse durch Trocknung ausgetrieben. An der Luft, im Freien oder in Räumen, ist eine vollständige Trocknung nicht möglich. Es stellt sich lediglich ein lufttrockener Zustand mit variabler Restfeuchte ein. Der Trocknungsgrad ist von der relativen Luftfeuchte in der Trocknungsumgebung abhängig. Die Farbe der rohen Stücke (Grünkörper) schlägt nach "weiss" oder "hell" um (Farbumschlag) um. Die Restfeuchte wird meist erst im Brennofen ausgetrieben, durch vorsichtiges Fertigtrocknen bei 60-95°C und guter Durchlüftung. Erst danach darf die Ofentemperatur über 100°C erhöht werden. Geschieht dies zu früh entwickelt sich beim Erreichen von 100°C schlagartig Dampfdruck innerhalb des Massekörpers, was zu katastrophaler, explosionsartiger Zerstörung der Werkstücke und Schäden am Ofen führen kann.
Werden nun die physikalisch vollständig getrockneten Werkstücke weiter erwärmt so spaltet sich aus den Tonmineralien der Masse chemisch gebundes Kristallwasser ab und entweicht mit dem Abgas bzw. durch Dampfdiffusion durch die Ofenwände. Ist diese Abspaltung des chemisch gebundenen Wassers weitgehend vervollständigt so kann der Massekörper nicht mehr in Wasser zerfallen, ein neuer "steinartiger Werkstoff" ist entstanden.
Diese Gleichung stellt die wichtigste Umsetzung im keramischen Prozess dar. Die beiden oberen Zeilen zeigen die selbe Reaktion. Oben in chemischer Summenformel, unten in silikattechnischer Schreibweise.
Brennen von Keramik
Al2Si2O5(OH)4 | → | Al2Si2O7 + 2H2O↑ |
530-630°C |
Al2O3 * 2SiO2 * 2H2O | → | Al2O3 * 2SiO2 + 2H2O↑ | 530-630°C |
Kaolinit | → | Metakaolin + Wasser |
Tatsächlich laufen natürlich je nach Massezusammensetzung, Brenntemperatur und Ofenatmosphäre äusserst komplexe Umsetzungsreaktionen, Schmelzvorgänge und Kristallisationen in Verlauf eines Keramikbrandes ab.
Je nach Zusammensetzung der Masse aus natürlichen und synthetischen Rohstoffen, und der Gestaltung des Wärmeprozesses nach Temperaturverlauf, chemischer Atmosphäre und Druck können nun Werkstoffe mit präzise definierten Eigenschaften generiert werden.
Unterscheidung der Werkstoffe
Die Werkstoffe der Silikatkeramik können nach einem einfachen System unterschieden werden. Soll ein Keramikobjekt werkstofftechnisch identifiziert werden so betrachtet man immer den "Scherben", den tragenden (Ton-)Körper des Objekts. Durch Überzüge von Glasuren, Engoben, Emails oder Druckfarben liegen bei einer Keramik oft mehrere Materialien vor (Verbundwerkstoff).
Wasseraufnahme
Durch benetzen des unglasierten Keramikkörpers wird geprüft ob dieser Wasser aufsaugen kann oder nicht. Dies kann man schon erkennen wenn der Körper an einer Stelle ohne Glasur (Standfläche, Fussring) mit Wasser benetzt wird. Diese Prüfung wird labormäßig exakt nach EN DIN 13755 durchgeführt. Liegt der massebezogene Wasseraufnahmekoeffizient WA unter 3% so ist der Werkstoff als dicht gebrannt oder gesintert zu bezeichnen.
Farbe
Keramik wird (vereinfacht) nach der Farbe des Scherbens in "weiß" und "farbig" unterschieden, wobei farbig alles ist, was nicht als weiß anzusehen ist, also von hellem gelb, grau oder rosa über alle "Terrakottafarben" bis schwarz. Industriell wird auch bei keramischen Scherben der Weißgehalt exakt gemessen und bestimmt.
So lassen sich silikatkeramische Werkstoffe in einem einfachen Schema erfassen
"Scherben" ist | farbig | weiß |
alle Farben ausser weiß | Scherben deutlich weiß |
|
dicht gebrannt, nicht Wasser saugend, gesintert, virtifiziert, verglast, Wasser Aufnahme <3% |
Steinzeug | Porzellan |
Feinsteinzeug | Technisches Porzellan | |
Sanitärporzellan | Aluminiumoxid Keramik | |
Böttgersteinzeug | ||
Aluminiumoxid Keramik | ||
porös,Wasser saugend, nicht gesintert Wasser Aufnahme >3% |
Irdenware | Steingut |
Hafnergeschirr | Ofenkacheln | |
Ofenkacheln | Wandfliesen | |
Wandfliesen | Feuerfeste Keramik | |
Ziegel, Tonwaren |
Hochtemperatur Isolierung | |
Feuerton (Sanitär) | Keramikfilter mit genau definierter Porosität |
|
Hafnerschamotte |
Begriffsdefinition Keramik
Keramik umfasst alle nichtmetallischen, anorganischen Werkstoffe die geformt werden und die ihre spezifischen Eigenschaften nach der Formung, durch einen thermischen Verfestigungsprozess (Brennen) entwickeln.
In der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts wurden zwei neue Werkstoffgruppen innerhalb der Keramik weiterentwickelt welche Materialien mit ungeahnten physikalischen und chemischen Eigenschaften ermöglichen: Oxidkeramik und Nichtoxidkeramik.